Flut 1976

Foto Familienalbum Hermann Kremer - Altendeich

Die Feuerwehr rettet ein Reh vor dem Ertrinken während der Flutkatastrophe 1976 - 700 andere Rehe ertrinken sowie 3000 Fasanen und 1000 Hasen. Die Haseldorfer Marsch ist nach einem Deichbruch mit Wasser vollgelaufen. Wo die Feuerwehr hier steht, war früher die Altendeicher Chaussee und Wiesen dahinter.. Jetzt sieht man nur noch Wasser fast bis zum Horizont.

Bürgermeister Rolf Herrmann zur Flutkatastrophe 76

"Die Haseldorfer Marsch am schwersten betroffen / Deiche gebrochen / Viele Millionen Mark Schaden durch die Flutkatastrophe am Wochenende / Mehrere Orte von der Umwelt abgeschnitten und zum Teil überflutet" So titelte die Heimatpresse am 05.01.1976 nach der schwersten Flutkatastrophe in der Haseldorfer Marsch vom Sonnabend den 03.01.1976.

Wie war es dazu gekommen? Am Freitag dem 02. Januar wurde ein Sturmtief angekündigt, daß sich in kurzer Zeit zu einem Orkan entwickelte, zwei Tage nach Neumond wird auch zusätzlich eine Springtide erwartet. Der Pegel Cuxhaven zeigte an diesem Tag einen Scheitelpunkt von 3,67 m über mittlerem Tidehochwasser an, das waren 16 cm mehr als die noch allen bekannte und gefürchtete Flut 1962.

Bei der anhaltenden Windstärke und Windrichtung war eine besonders schwere Orkanflut zu erwarten. Die Pegelbeobachtungen verhießen nichts Gutes. War die Flut 1962 in knapp 4 Stunden aufgelaufen, brauchte sie 1976 nur 2 Stunden, 50 Minuten. Die meteorologischen und astronomischen Kräfte hatten im Zusammenspiel die Grundlagen geschaffen, eine besondere Flutwelle entstehen zu lassen, die mit Sorge an allen gefährdeten Stellen beobachtet wurde.

Das Niedrigwasser um Mitternacht am 2.-3.1.1976 war ungewöhnlich niedrig gewesen, die folgende Flut setzte sehr stark ein und überschritt schon die Hochwassermarke, die dann folgende Ebbe brachte keine Entlastung und die Stöpen mussten geschlossen werden. Die Erfahrungen aus dem Jahr 1962 ließen stärkste Befürchtungen aufkeimen. Um 13 Uhr wurde die Haseldorfer Marsch für den Verkehr gesperrt, und um 14.25 Uhr wurde Katastrophenalarm durch den Landrat Hebisch ausgelöst. Die Bundeswehr wird zur Unterstützung der heimischen Kräfte in Marsch gesetzt. Noch fühlte man sich hinter den Deichen sicher, aber das Wasser stieg stetig weiter.

Die Schreckensnachricht kam dann um 16.58 Uhr vom Oberdeichgrafen Dietrich Früchtenicht, der Deich zwischen Hetlingen und Holm war nicht mehr zu halten. An 9 Stellen war der Deich auf einer Länge von mehr als 500 m gebrochen. Die Haseldorfer Marsch lief somit von "hinten" voll. Die Überflutung der mehr als 3000 ha nahm allerdings einige Zeit in Anspruch, so daß in Haselau der Deichbruch als "nicht so problematisch" angesehen wurde, um Mitternacht war auch hier die Flutwelle dar.

Am Sonntagmorgen wurde erst die Summe der Schäden erkannt. Viele Häuser und Höfe standen unter Wasser, die Straße von Hetlingen nach Holm gab es nicht mehr, viel Vieh und Wild war ertrunken, aber glücklicherweise gab es keine ertrunkenen Menschen.
Die Uetersener Nachrichten schrieben: " Etwa 800 Familien waren in der Haseldorfer Marsch von der Flut betroffen. Von diesen hatten viele ihre Existenzgrundlage verloren. Nicht minder schwere Schäden waren im langwirtschaftlichen Bereich entstanden. Neben Flurschäden standen etwa 150 Anwesen vor dem Nichts. Schäden an Gebäuden, Maschinen, Futtervorräten und Vieh musste beklagt werden. 155 Rinder, 610 Schweine, 280 Schafe, 700 Hühner und 400 Folgeverluste wies die Schadensbilanz aus. Annähernd 3000 Hektar (30 Quadratkilometer) standen tagelang unter Wasser. Auch die freilebende Tierwelt in der Haseldorfer Marsch wurde von der Flut überrascht. Die Bilanz des Todes: Etwa 700 Stück Rehwild, 3000 Fasanen und etwa 1000 Hasen wurden Opfer des Wassers." Von allen Seiten gab es nun Hilfe für die Haseldorfer Marsch, auch wenn einiges in den ersten Tagen unkoordiniert war. Ein besonderes Lob erhielten die Hubschrauberpiloten der Heeresflieger aus Itzehoe für ihre zahlreichen Einsätze.

Währe die Katastrophe zu verhindern gewesen? Der Oberdeichgraf Dietrich Früchtenicht hatte schon frühzeitig auf Mängel bei der Deichsicherheit hingewiesen. Doch die Mittel aus dem Generalküstenplan sahen andere Prioritäten vor, einen neuen, verkürzten Landesschutzdeich zwischen Pinnaumündung und Wedel, als die Pflege der alten Deichlinien. Heute leben wir hinter diesem Deich und hoffen, daß er uns den notwendigen Schutz bietet. Es gibt aber viele Begehrlichkeiten, Polder oder Entlastungsflächen zu schaffen. So hatte einmal der Umweltminister Bernd Heydemann die Haseldorfer Marsch als Poldergebiet zur Entlastung in die Diskussion gebracht und auch die FDP-Politikerin Frau Hapach-Kasan sah die Haseldorfer Marsch bei dem Oberelbehochwasser als Polder an, ohne das Gebiet überhaupt zu kennen.

Ich hoffe, daß Elbevertiefungen und die Sicherheit Hamburgs nicht eines Tages dazu führen, daß unsere Heimat als "Überschwemmungsgebiet" preisgegeben wird.

Rolf Herrmann 02. Januar 2006

Auf dem Deich in Haseldorf

Das Foto wurde 1976 in Haseldorf aufgenommen. Der Haseldorfer Deich hätte gehalten, aber in Hetlingen brach der Deich am 8 Stellen und die gesamte Haseldorfer Marsch lief voll Wasser.