Bandreißer in Hetlingen

Hetlingen ist ein altes Bandreißerdorf. Das Bild der Gemeinde wurde 250 Jahre lang durch die Bandreißer geprägt. Die Bandreißerei war ein bedeutender Erwerbszweig in der Haseldorfer Marsch und ernährte viele Familien. Mit entbasteten, aufgespaltenen und gebogenen Weidenzweigen wurden hölzerne Fässer zusammen gehalten. So wurden Fässer für geschmacksempfindliche Inhalte (z.B. Butterfässer) mit natürlichen Materialien ohne Plastik wirksam beringt. Die Haseldorfer Marsch und hier insbesondere Hetlingen war einst das Zentrum für die Verarbeitung von Weidenschößlingen der Korbweide (Salix viminalis) die man in Bandholzkulturen zumeist im Vordeichgebiet angepflanzt und kultiviert hatte.

Die Bandreißer-Gruppe im Kulturverein Hetlingen zeigt das alte Handwerk. Das Foto wurde in Haseldorf während des Frühlingsfestes aufgenommen.

Im Hetlinger Kulturverein gibt es eine aktive Gruppe, die das Wissen um das alte Bandreißerhandwerk aufrecht erhält. Im Zwischendeichgebiet (Weg durch die Deichdurchfahrt und etwa 200 m links Richtung Idenburg) wurde eine Bandholzplantage neu angelegt. Die hier gezogenen Weidenstöcke werden alle 2 Jahre geschnitten und im Rahmen von Informationsveranstaltungen wird mit diesem Naturmaterial gezeigt, wie aus den Weidenstöcken Fassreifen hergestellt werden.
Die Ehrenamtlichen des Hetlinger Kulturvereins zeigen auf vielen Veranstaltungen nicht nur im Kreisgebiet die einzelnen Arbeitsschritte des historischen Handwerks. Im Freilichtmuseum Molfsee bei Kiel gibt es eine 250 Jahre alte Bandreißerkate, die von den Hetlingern betreut wird.. Auch in Molfsee wurde von der Hetlinger Ehrenamtlichen-Gruppe eine Weidenplantage angepflanzt und gepflegt. Jedes Jahr werden dort von den Hetlingern Informationsveranstaltungen durchgeführt.

Bi de Bannmokers

Vun düsse Ort Handwerkers givt in keen Dörp so veel as in Hetl, warst datt fors wies, wenn int Dörp rinkummst. Binoh an jedes Hus hangt ehr Wark, de griesen un de witten Bann, oder se stoht in lange un runne Keeden op den Hoff. So as se drög sünd, kommt se op denn Böhn von de swarten Schuppens, de du op jede Höffstäd süttst. Ünner in´n Schuppen oder ok int Hus findst du de Warkstäd. Kannst geern mol ringahn, sünd prächtige lüd, de Bannmokers, und stoht di op allns Red und Antwort. Morgens sitt se bitt op denn Meister, de op de Deel rieten mutt, in jümmer blauen Plotens op denn Buck und sniet mit datt lange Dogmeß Spleet, nömmerdags bögt se mächtig und sett feste in de Schief, bitt se datt Dagwark vull hebbt. Allns, watt se mokt, sütt so eenfach ut, und doch ist dattn Kunst, de leernt warn will. Männigeen jung Scholmeister, die int Dörp köm, hett öber dütt Handwark spott und meent, datt wör gar keen. Sülbst de Meisterarbeit, datt Spleetrieten, bruk man doch nich erst to leern, datt güng doch ganz von sölm. Doch ehr he sick versöh, hall de Meister een son Kloken mitn Grienjer op denn Buck drück und een langen Stock (keen sponschen) in de Hand geben. He sull em doch mol rieten, wiel dat de Arbeit mit denn Stock em gar to lich vörköm. Wo datt em dormit güng, will ick jo nich vertelln. Ji könnt dat sölbst beleben, Jungs, wenn ji bi passende Gelegenheit jon eegen Scholmeister mol op son Buck sett. Gröt denn Meister man vun mi, und he mokt mi jo denn Spoß! Lacht blot nich to dull, denn sünst kommt all de Geselln anlopen und nehmt em ok noch mit an ehr Arbeit. De eegen Latern, dat weet je jo so got wi ick, de lot de Minschen bannig geen mol lüchten!
Text: Aus der Schrift "Vor den Toren der Großstadt, Wedel und die Haseldorfer Marsch", Herausgegeben vom Altonaer Schulverein, Altona 1928

Bandreisserei Johann Plüschau in der Schulstraße 6, Foto von 1906 aus der Sammlung Siemsen

Hermann Claudius

Hermann Claudius war öfter Gast bei Prinz Georg von Schoenaich-Carolath Schilden in Haseldorf. Der Prinz ließ den Dichter und dessen Frau in Hamburg von seinem Chauffeur abholen und auf dem Weg fuhren sie durch das Bandreisserdorf Hetlingen (von Claudius "Hettlingen" genannt). Hermann Claudius beobachtet aus dem Auto heraus im Vorüberfahren das "Stöckebasten", wobei die Rinde der Weidenstöcke abgezogen wird. Hier das Gedicht von Hermann Claudius:

"Und dann fuhr der Mercedes gar gewichtig
vor unser Haus. Sehr artig der Chauffeur
und seiner Durchlaucht herzerwärmend pflichtig.

Bei Wedel atmeten wir schon das Meer
- so sagt´ ich scherzend. Der Chauffeur, der lachte,
wobei der Wagen scharfe Kurven machte.

Hettlingen heißt das Dorf, was wir durchfuhren.
Die Häuser hockten hinter dichten Hecken,
als wollten sie sich mit dem Auto necken
und seinen schnellen Kilometerspuren.

Und Haus bei Haus da lehnten wie an Schnurren
die weißgeschälten dünnen Weidenstecken.
Wir konnten fast die Hände danach recken.
Und hörig ihren flachen Uferfluren.

Da sahn wir Kinder, Männer und auch Greise
und Mädchen, Mütter altgewohnterweise
und heiter schwatzend Weidenzweige teilen.

Wir zögerten, dem Anblick zu enteilen,
verzaubert von den hausgerechten Dingen.

1937 - Stöckebasten bei Bernhard Schölermann beim großen Brack im Kranz. Ein Foto aus der Sammlung Siemsen.